Vorstellung des Karlsbader Instituts

Die Gründer • 20. September, 2025


Seit der Antike dreht sich das westliche Denken um die Frage, wie das Ganze trotz der Auflösung seiner Teile seine Integrität bewahrt. Das Ergebnis mutet wie eine ironische romantische Idee an: Durch die bloße Wiederholung über endlose Permutationen von Umständen hinweg hat die Frage selbst eine Beständigkeit angenommen, die über die spezifischen Ganzheiten und Teile hinausgeht, auf die sie sich bezieht, und sie in Sphären erhebt, die über die vergänglichen Bedingungen hinausgehen, unter denen sie gestellt wurde. Dieses Verlangen nach Transzendenz, das an sich selbst schon Ausdruck einer Selbstüberschreitung ist, ist der große, unlösbare Knoten, der die westliche Zivilisation zusammenhält, und Whiteheads allzu oft bemühte Vermutung, dass „die sicherste allgemeine Charakterisierung der europäischen philosophischen Tradition darin besteht, dass sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht“, bestätigt.

Die moderne Forschungseinrichtung, die Universität, welche in Europa ihren Ursprung hat und heute überall dominant ist, funktioniert nach dem Prinzip der Aufteilung der Geisteswissenschaften in verschiedene Disziplinen, die sich gegenseitig – trotz der Forderung nach Interdisziplinarität – immer weniger verstehen. Die Hauptaufgabe der Forschungseinrichtung der Universität ist, wie der Name schon sagt, die Forschung, verstanden als die kontinuierliche Entdeckung neuer Erkenntnisse in immer spezielleren Bereichen der kulturellen Erfahrung, die sich mit dem etablierten Wissensbestand verbindet. In Thomas Kuhn´s klassischer Theorie der „Paradigmen“ wird oft übersehen, dass die Forschungsuniversität und das darin enthaltene Konzept der Wissenschaft ebenfalls Paradigmen sind; tatsächlich gehören sie zu den erfolgreichsten in der Geschichte der epistemologischen Forschung. Doch immer mehr kristallisiert sich die Erkenntnis heraus, dass – zumindest in den Geisteswissenschaften – die heutige Organisation von Wissen nur noch das hervorbringt, was Ökonomen als abnehmende Grenzerträge bezeichnen würden; dass die einzelnen Teile der atomistischen Universität sich in einem stetigen Zerfall befinden und die Zeit reif ist für einen Durchbruch zu etwas ... Älterem und doch gleichzeitig Neuerem.

Die Rückkehr zu einem ganzheitlichen Humanismus, der von den ewigen Fragen angetrieben wird – ein Unterfangen, das unter den englischsprachigen Völkern nie ganz aufgegeben und in Kontinentaleuropa oft wiederbelebt wurde – ist das Ziel, das sich das Karlsbader Institut gesetzt hat. Geleitet von diesen Prinzipien strebt das Karlsbader Institut nach einer Erneuerung der Sozial- und Geisteswissenschaften als integriertes Ganzes, die jederzeit in einer freien, offenen und wertneutralen Geisteshaltung vollzogen werden soll.

Das Karlsbader Institut möchte das Tor zu diesem neu belebten Wissenschaftsansatz sein und ihn fördern. Indem es sich auf die tief verwurzelte akademische Tradition der mitteleuropäischen Nationen stützt, hofft das Institut, das Denken in der nächsten Generation zu fördern. Karlsbad als bedeutender Kurort im Zentrum Europas mit großer historischer Bedeutung, der immer wieder von vielen Geistesgrößen aufgesucht worden ist, bietet dafür optimale Gelingensbedingungen. Das Institut möchte sich dabei nicht ausschließlich auf den akademischen Bereich beschränken, sondern sucht vielmehr die Zusammenarbeit mit führenden Persönlichkeiten aus Kunst, Wirtschaft und Politik. Durch die Förderung einer Wiederbelebung eines ganzheitlichen und multidisziplinären Humanismus in Mitteleuropa und durch einen wahrhaft kosmopolitischen Blick über Mitteleuropa hinaus, möchte das Karlsbader Institut neue intellektuelle Paradigmen und Zukunftsräume in der gesamten Gesellschaft schaffen und die Höhen des Denkens mit den Tiefen des politischen Handelns zusammenbringen, um Einfluss auf globale Entscheidungsprozesse zu nehmen.

Das Karlsbader Institut verfolgt seine Mission durch die Unterstützung verschiedener akademischer Forschungsinitiativen. Dazu gehören insbesondere die Förderung von Konferenzen, Kolloquien und Vorträgen sowie die Begleitung akademischer Veröffentlichungen. Darüber hinaus engagiert sich das Institut in der Ausbildung von Studenten und jungen Fachkräften. Ein zentrales Anliegen ist es außerdem, die Gedanken einiger der bedeutendsten Denker unserer Zeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies geschieht unter anderem über das kostenlose und frei zugängliche Online-Journal Carlsbad Considerations, das innovative Arbeiten führender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Bereichen des sozialen Denkens veröffentlicht. 

Wer sich für die Arbeit des Karlsbader Instituts interessiert, findet weitere Informationen unter carlsbadinstitute.org

Dr. Martin Hähnel, Direktor
Christopher Gadsby
Seweryn Górecki
A.W. Taubenberger